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Männer waschen flüssiges Gold

Im Jahre 1954 berichtete die "Cellesche Zeitung" sehr anschaulich über die schwierigen Arbeitsbedingungen im Wietzer Ölschacht:

...Im Förderkorb, der in kaum einer Minute 240 Meter tief in die Erde hineinfällt, steht der 18jährige Hans Karst. Es ist seiner erste „Seilfahrt“, wie die Kumpel es nennen. „Laß‘ dich da unten bloß nicht von dem Berggeist erwischen“, grinsen seine Kollegen, als sie im Schein der Berglampe sehen, daß sich der „neue“ bei dieser Fahrt doch wohl etwas unbehaglich fühlt. Da lacht der Hans auch und sagt: „Mit dem Berggeist könnt ihr mich nicht bange machen. An solchen Spuk glaubt doch heute kein Mensch mehr.“

Dann hält der Korb. Zunächst muß man ein Stück im Querschlag entlanggehen, von dem aus die einzelnen Strecken in den öligen Sand hineinführen. Der Querschlag ist ziemlich breit und hoch. Nur vor den Loren mit Sand, die von den Seilen gezogen, dort entlangrollen, muß man sich vorsehen.

Dann biegen die Arbeiter nach rechts in eine der vielen Sickerstrecken ein, und schon nach wenigen Minuten traut sich Hans Karst nicht mehr zu, aus diesem Labyrinth der „Maulwurfsgänge“ wieder hinauszufinden. Der Schweiß tropft ihm unablässig von der Stirn. Der Dunst des Oels legt sich schwer auf die Lunge und macht die Zunge im Munde dick und filzig.

Der Neuling muß aufpassen, daß er nicht in dem modrigen, glitschigen Untergrund ausrutscht oder steckenbleibt. Mit einem Auge heißt es auch darauf achten, daß man trotz der gebückten Haltung nicht doch mit dem Kopf gegen einen der eisernen Querbalken stößt, die sich manchmal unter der Last der Erdmassen tief durchbiegen.

Nach einer halben Stunde sind die Bergleute vor Ort, an der Arbeitsstelle. Eine Strecke soll weiter in den Oelsand hineingetrieben werden. Hans hat die mit Preßluftbohrern gelöste Erde in einer Lore zu schaufeln.

Aber zunächst schickt ihn der Hauer in eine andere Strecke, um von den dort arbeitenden Kumpeln einen Preßluftbohrer zu entleihen. „Aber laß dich nicht von dem Berggeist erwischen“, hört er den Hauer noch rufen und sieht nicht verschmitzt grinsenden Gesichter seiner Kollegen.

Hans Karst hat keine Angst, wenn es auch ein wenig umheimlich ist, fast 300 Meter unter der Erdoberfläche dem schwachen Schein der Berglampe durch die gespenstischen Gänge zu folgen, die man hier „strecken“ nennt.

Aber dann sitzt ihm die Angst plötzlich doch im Nacken. Er hat eine Tür geöffnet, die zur Regulierung der eingeblasenen Frischluft dient, und im selben Augenblick kommt aus dem Dunkel ein gräßliches Fauchen, gurgelnd und unheimlich. Hans prallt zurück und läßt die Tür zuschlagen.

Danach ist wieder alles still, als sei nichts geschehen. Vorsichtig öffnete der Junge noch einmal die Tür – da faucht es wieder, stärker wohl noch, als beim erstenmal. Da plötzlich läuft Hans Karst entsetzt davon. Und eben noch hatte er über die Geschichte vom Berggeist gelacht. Bleich kommt er zu seinen Kollegen zurück und stammelt: „Dahinten ist irgendwas nicht in Ordnung!“

„Du wirst doch nicht etwa dem Berggeist über den Weg gelaufen sein?“ meint der Hauer mit todernstem Gesicht, während die anderen sich auf die Lippen beißen, um nicht laut losprusten zu müssen.

In diesem Augenblick erscheint der Obersteiger Schuldei. „Macht mir doch den Jungen nicht wild.“, brummt er und erklärt dem neuen Schlepper Hans Karst dann die Ursache des Fauchens, das den Jungen so erschreckte.

Der „Eiserne Bergmann“ mache solche ungewöhnlichen Geräusche, sagt er. Ueber 70 Kilometer lang sei das Netz der unterirdischen Gänge. Der ölige Sand werde an die Oberfläche gebracht und dort könne man das Oel herauswaschen. In den Hohlräumen der Gänge aber sickere viel Oel zusammen. Das werde in Behältern aufgefangen. Dort schöpfe man es heraus und schütte es in eine Rinne, die es zum ersten Sammelbecken leitet. „Hier tritt nun der ‚Eiserne Bergmann‘ in Tätigkeit. Immer, wenn wenn sich genügend Oel angesammelt hat, wird es von der automatischen Pumpanlage in ein Rohrsystem getrieben. Die Maschine ist unser ‚Eiserne Kumpel‘, und das Pumpgeräusch war der ganze Berggeist.“ Lachend klopft der Obersteiger dem Hans auf die Schulter...